Der grüne Same der Umwege

Zwischen Messen und Vermessen

Sonnenauge seufzte tief: ‚Ich weiß schon!‘ sagte er – ‚Alles ist mit einer
Ordnung und damit auch mit einem Umweg verbunden, das ganze kugelrunde All
zwischen Himmel und Erde!‘ Und er nahm sich ein Herz und holte nun den Samen
der Umwege aus der Blauen Glockenblume hervor. Es war ein grüner Same
mit einer O und einer 24, den er nun in den Händen hielt.
Es war beinahe unglaublich!
In der Form dieses kreisförmigen
O
stand ihnen diese atmende Ordnung leibhaftig vor Augen!
Die 24 aber stand für den vollendeten Umweg der Erde um die Sonne,
wie er sich auf der Seite 24 der Parabel gemessenen Schrittes besang, und wie
er auch in den 24 Blütenblättern der Dotterblume eingeschrieben war.
Sonnenauge kam gar nicht aus dem Staunen heraus!

Wie aber
erklärte sich
die grüne Farbe
dieses Samens?

‚Er grünt für den Umweg,
der als kürzester zur Sonne zielt
– die Erde –
die auf uralten Bahnen
das Licht in sich umformt zum Samen.

Er grünt für die Grube, die zur Klärung drängt
und zwischen Stehen und Verdrehen
zum Sehen lenkt.

Er grünt für die Wende in der Not,
die zum Odem zurückkehrt,
zum Leben vom Tod.

Er grünt
– es kann nicht anders sein –
im Austausch zwischen
Sein und Schein!‘
– erhellte –
das Schäfchen.

‚Doch
das Gefühl des Verlorenseins,
die unbeantwortete Bitte?‘
wollte Sonnenauge
wissen:

‚Sie vermisst sich
im Blick aus der Mitte,
die diesen Umweg zusammenhält.
Es ist der Blick, der ins Abseits fällt
und diesen Umweg verachtet
und Himmel und Erde entmachtet!‘

‚Und warum vermisst sich dieser Blick?‘
kam Sonnenauge auf sein altes Thema zurück.

‚Er vermisst sich
zwischen Blick und Blick
an seinem doppelten Geschick
– zwischen Glühen und Erkalten –
zwischen Lösen und
Erhalten.‘

Sonnenauge schüttelte sich in jäher Klarsichtigkeit:

‚Es ist
die Sorge um das
Ich!

Ihm schwindet die Form im Bewegen. So wird’s in der Not zum
Dagegen!
Zur Angst des Sinns, der sich nicht mehr sieht,
wenn er atmend zurück in die Sonne zieht;
zur Angst vor dem Verschwinden
und
– Nimmer –
– wieder –

f
i
n
d
e
n!‘


Das
Schäfchen
nickte zustimmend
mit dem
Kopf:

‚Nur
die Erde, die Erde
kennt diese Sorge nicht
und auch nicht das Dagegen.
Sie formt ihren Umweg zum Segen.
Sie ist in Frieden mit ihrem
doppelten Gesicht als Himmel und Erde.
Sie zweifelt nicht!
– Nur –
die in ihrem langen Schweif
im Dunst verzagen, sind
nicht reif!‘

Sonnenauge
sah nachdenklich zur Erde hinab und in den Himmel hinaus:
Er spürte ihn ganz nah in sich, diesen wohl bemessenen
Atmenden Raum,
den alle Wesen um sich und die Sonne zogen:

‚Wahrhaftig,
es ist das Himmlische Licht,
das den Umweg der Erde durchgrünt
zur ‚Doppelten Sicht‘!
Es sondert und sühnt und bleibt,
wie immer es sich auch
umschreibt!‘