Der rote Same des Königs

Zwischen Trauma und Traum

‚Der nächste Same wartet schon!‘ sagte das Schäfchen.
‚Vielleicht hat ja auch er noch etwas zu diesen Umwegen beizutragen?‘
Und er hatte es wohl wirklich! Denn Sonnenauge nahm nun den
– König –
aus der Blauen Glockenblume heraus.
Es war ein roter Same mit den Zahlen 9 und 15, in denen das Fragen und
Antworten gleichermaßen wie das Yin-Yang eingeschrieben war:
Die Gegensätze, die es auszugleichen galt!´

‚Der
König trägt
die rote Robe
zum Dienst an der Erde
und dem Himmel zum Lobe.
Diesem Zweierlei wird er nur gerecht,
wenn er sich nicht im Übermaß erfrecht;
wenn er in Demut sich befreit von aller Selbstsucht,
allem Neid.
Und das gelang ihm eben nicht!
Er fühlte sich so sehr im Licht,
dass er das Glück im Glück vergaß
und sich am Überglück vermaß
beim Formen und Gestalten,
beim Lenken und Verwalten!
Er fühlte sich so sehr im Licht,
dass er den Teich versengte
und ins Verderben zwängte.
Er war ihm ganz einfach
zu schlicht.
Er achtete ihn nicht!‘
– erklärte das Schäfchen –

Sonnenauge saß tief versunken da
und dachte daran, wie nah ihm dieser König gewesen war:

Er hatte ihm den Weg vom Wunderbaren bis zum Entsetzlichen gewiesen,
vom Anfangs- bis zum äußersten Endpunkt seiner Möglichkeiten
als kleiner wissensdurstiger Tropfen!

Er hatte ihm gezeigt,

wie schmal der Weg zwischen hell und dunkel war,
zwischen der Klärung und der Grube!
Er war den äußersten Radius
für ihn abgegangen!

Er dankte ihm
viel!

‚Ich
danke
ihm viel,
diesem König!‘
– sagte er schließlich leise –
‚So, wie Du ihn darstellst,
war er nicht!.
Er hatte immer
ein doppeltes Gesicht und eines in der Mitte.
Er war der Abgrund in dem Grauen Wicht
und zugleich seine Erfüllung und Bitte.

Er
war und ist
– wenn ich es recht bedenke –
der Traum vom Raum,
in dem ich selber mich
beschränke:
Das Abbild
meiner eignen
wunschverlorenen
Sicht!

Ich selbst stand
zwischen Fron und Thron
und strebte nach dem Himmelslohn
– anstatt mich zur Mitte zu weiten –
und die Arme zum Ausgleich zu breiten.
Zum Ausgleich zwischen Yin und Yang
– zum Ausgleich zwischen Rang und Rang –
beim Steigen, Fallen, Schreiten
und
Wellenbergumgleiten!‘

Das
Wolkenschäfchen
staunte,
wie klarsichtig Sonnenauge geworden war,
wie liebevoll auch! Es nickte ihm anerkennend zu:

‚Wenn die kleine Liebe nicht aus der großen entsteht
– wenn der Himmel nicht zärtlich die Erde umweht –
wenn der irdische Raum nicht aus dem Licht erblüht
– und atmend zurück zum Himmel zieht –
wenn der Dienst am Großen das Kleine nicht ehrt
– dann hat sich das Licht in uns verkehrt –
dann ist es zum Schein geworden
– zur Jagd nach Thronen und Orden –
dann muss Dir im Prunken und
Prassen
das wahre Leben
erblassen!‘

Sonnenauge
seufzte so abgrundtief,
dass sein Seufzer bis in das
rote Herz der Erde sank, das
zugleich das Herz dieses
doppelgesichtigen
Königs
war

Es war
der Traum vom Umweg,
der in allen Tröpfchen schlief
und diesen König in sein Amt berief:
Der Traum vom Selbstumkreisen
und Sonnenbahnenreisen.
Es war der Traum vom
Atmenden Raum
und das Trauma
vom
Entgleisen!